
Reproduktionsverschiebung bei Wildtieren – Das Beispiel des Igels
Der Klimawandel und menschliche Eingriffe in die Natur beeinflussen das Verhalten vieler Wildtiere. Eine der auffälligsten Veränderungen ist die sogenannte Reproduktionsverschiebung – also eine zeitliche Verschiebung oder Verlängerung der Fortpflanzungsphase. Dieses Phänomen lässt sich inzwischen bei zahlreichen Arten beobachten, darunter auch beim Igel (Erinaceus europaeus). Was genau steckt dahinter, welche Folgen hat das für die Igelpopulation, und welche Auswirkungen hat diese Entwicklung generell auf Gärten und ihre Bewohner?
Was ist eine Reproduktionsverschiebung?
Reproduktionsverschiebung beschreibt eine Veränderung des Zeitpunkts oder der Häufigkeit der Fortpflanzung innerhalb einer Tierpopulation. Dabei kann es sich um eine Vorverlagerung (frühere Fortpflanzung), eine Verlängerung (längere Fortpflanzungsphase) oder eine Verzögerung (spätere Fortpflanzung) handeln.
Dieses Phänomen tritt auf, wenn Umweltbedingungen die biologischen Signale beeinflussen, die den Fortpflanzungszyklus steuern. Tiere orientieren sich dabei meist an Umweltfaktoren wie Temperatur, Tageslänge oder Nahrungsverfügbarkeit.
Die Gründe für eine Veränderung der Fortpflanzungszeit können vielfältig sein und oft spielen mehrere Faktoren gleichzeitig eine Rolle:
Klimawandel und steigende Temperaturen
Höhere Durchschnittstemperaturen können dazu führen, dass Tiere früher aktiv werden und ihre Fortpflanzung früher beginnen. Ein milder Frühling bedeutet beispielsweise, dass Paarungsbereitschaft und Geburten früher einsetzen. Gleichzeitig kann ein wärmerer Herbst dazu führen, dass sich Tiere später als üblich erneut fortpflanzen.
Veränderte Nahrungsverfügbarkeit
Viele Wildtiere koppeln ihre Fortpflanzung an das Nahrungsangebot. Wenn durch wärmere Temperaturen Pflanzen länger blühen oder Insekten länger aktiv sind, steht mehr Nahrung zur Verfügung – das kann eine zweite oder sogar dritte Fortpflanzungsperiode ermöglichen.
Gestörte Winterschlafzyklen
Bei Tieren, die Winterschlaf halten, kann eine veränderte Umwelt dazu führen, dass sie zu früh oder zu spät aufwachen. Wenn sie zu früh aktiv werden, könnten sie sich früher fortpflanzen. Umgekehrt kann eine späte Fortpflanzung dazu führen, dass einige Tiere gar nicht mehr in den Winterschlaf gehen, weil ihre biologische Uhr nicht mehr mit den Jahreszeiten synchron läuft.
Menschliche Einflüsse
In Siedlungsnähe profitieren manche Wildtiere von Fütterung oder zusätzlichen Nahrungsquellen (z. B. Mülleimer, Haustierfutter). Auch künstliche Lichtquellen können biologische Rhythmen beeinflussen. So kann beispielsweise Straßenbeleuchtung die Wahrnehmung der Tageslänge verändern, was sich auf die Fortpflanzung auswirkt.
Der Igel als Beispiel für Reproduktionsverschiebung
Normalerweise beginnt die Paarungszeit des Igels in Mitteleuropa im Frühjahr, kurz nach dem Erwachen aus dem Winterschlaf. Wenn es genügend Nahrung gibt, folgt oft eine zweite Fortpflanzungsperiode im Sommer. Durch die oben genannten Veränderungen zeigt sich jedoch ein verändertes Muster:
Früheres Erwachen und Paarung im Frühjahr
Ein milder Winter führt dazu, dass Igel früher aus dem Winterschlaf erwachen, aktiver sind und sich eher fortpflanzen.
Längere Fortpflanzungsperiode
Wenn der Herbst warm bleibt, nutzen einige Igel die verlängerte Nahrungsverfügbarkeit und paaren sich erneut.
Spätgeburten mit erhöhtem Sterberisiko
In milden Wintern wurden Igeljunge sogar noch im November oder Dezember gesichtet – ein Problem, da sie oft nicht genug Fettreserven für den Winterschlaf aufbauen können.
Welche Folgen hat die Reproduktionsverschiebung für Gartenbesitzer?
Veränderte Fortpflanzungszeiten und Aktivitätsmuster von Wildtieren können sich auf verschiedene Weise auf Gärten und ihre Besitzer auswirken.
Vermehrtes Auftreten von Wildtieren in Siedlungsnähe
Tiere wie Füchse, Marder oder Wildkaninchen, die sich länger oder öfter fortpflanzen, könnten in größerer Zahl in Gärten auftauchen. Das kann zu Problemen führen, wenn sie beispielsweise Beete durchwühlen, Nutzpflanzen fressen oder Schäden anrichten.
Längere Aktivitätsphasen von Insekten
Bestäuber wie Bienen oder Schmetterlinge könnten länger aktiv bleiben, was sich positiv auf die Blütenbildung im Garten auswirken kann. Gleichzeitig könnten Schädlinge wie Blattläuse oder Raupen ebenfalls länger auftreten und zu stärkerem Pflanzenfraß führen.
Veränderte Populationsdynamik von Nützlingen und Schädlingen
Durch eine frühere und längere Fortpflanzung können sich manche Tierpopulationen stark vermehren. Das kann dazu führen, dass bestimmte Nützlinge häufiger vorkommen, aber auch, dass es vermehrt zu Ungleichgewichten kommt.
Mehr Fürsorge für Wildtiere nötig
Wenn Jungtiere zu spät im Jahr geboren werden, haben sie oft Schwierigkeiten, den Winter zu überleben. Das betrifft nicht nur Igel, sondern auch Vögel, Eichhörnchen oder Amphibien. Gartenbesitzer können helfen, indem sie Futterquellen, Unterschlupfmöglichkeiten und Schutzräume bereitstellen.
Veränderte Blüh- und Fruchtzeiten von Pflanzen
Wenn Bestäuber früher oder länger aktiv sind, können Pflanzen ihre Samen- und Fruchtbildung früher oder später im Jahr anpassen. Das kann für Gartenbesitzer Vor- und Nachteile haben: Einerseits könnte es zu einer längeren Erntezeit führen, andererseits könnten einige Pflanzen durch frühe Blütezeit empfindlicher auf Spätfröste reagieren.
Ein Phänomen mit weitreichenden Auswirkungen
Die Reproduktionsverschiebung ist ein Phänomen, das sich immer stärker zeigt und sich auf das gesamte Ökosystem auswirkt – vom kleinsten Insekt bis zum größeren Wildtier. Während einige Arten von den veränderten Bedingungen profitieren, geraten andere unter Druck. Gartenbesitzer können mit kleinen Maßnahmen nicht nur Igel, sondern auch andere Wildtiere und die biologische Vielfalt insgesamt unterstützen. Indem sie natürliche Lebensräume erhalten und sich auf die neuen Bedingungen einstellen, leisten sie einen wertvollen Beitrag zum Artenschutz.
Autorin: Caroline Haller für www.einrichtungsbeispiele.de