Was spüren Korallen und Anemonen?
Blumentiere wie Steinkorallen, Weichkorallen und Seeanemonen sind in der Aquaristik weit verbreitet und werden aufgrund ihres pflanzenähnlichen Erscheinungsbildes häufig unterschätzt. Doch sie gehören eindeutig zum Tierreich und zeichnen sich durch komplexe biologische Prozesse aus. Es stellt sich die Frage: Können diese Tiere Schmerz empfinden – und wenn ja, was bedeutet das für ihre Haltung im Aquarium?
Blumentiere sind Tiere, keine Pflanzen
Zunächst ist festzuhalten, dass Blumentiere zur Klasse Anthozoa innerhalb des Tierstamms der Nesseltiere (Cnidaria) gehören. Anders als Pflanzen verfügen sie über ein Nervensystem (wenn auch einfach aufgebaut), nehmen aktiv Nahrung auf, reagieren auf Reize und besitzen spezialisierte Zelltypen wie Nesselzellen. Ihr pflanzenähnliches Erscheinungsbild darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich biologisch eindeutig um Tiere handelt.
Nervensystem ohne Gehirn
Blumentiere besitzen ein diffuses Nervennetz, das über den ganzen Körper verteilt ist. Es besteht aus miteinander verbundenen Nervenzellen, die Reize aufnehmen und weiterleiten können. Ein zentrales Nervensystem oder ein Gehirn fehlt jedoch vollständig. Bewegungen und Reaktionen erfolgen auf Basis lokaler Reizweiterleitung, etwa durch chemische oder mechanische Einflüsse. So können Anemonen Tentakel einziehen oder Korallen auf Berührungen reagieren, indem sie ihre Polypen schließen.
Dieses einfache Nervensystem ermöglicht grundlegende sensorische Wahrnehmungen, ist jedoch nicht vergleichbar mit den komplexen Schmerzverarbeitungssystemen höherer Tiere.
Schmerzempfinden im biologischen Sinne
In der Biologie wird zwischen zwei Begriffen unterschieden:
Nozizeption
Die Fähigkeit, schädliche Reize zu erkennen und darauf reflexartig zu reagieren.
Schmerzempfinden im engeren Sinne
Die bewusste, subjektive Erfahrung von Schmerz, wie sie bei Wirbeltieren durch ein zentrales Nervensystem verarbeitet wird.
Für Blumentiere ist gut dokumentiert, dass sie nozizeptive Reaktionen zeigen können. Mechanische oder chemische Reize führen zu Schutzreflexen, Veränderungen im Verhalten oder Gewebeabbau. Ob diese Reaktionen mit einem bewussten Schmerzempfinden verbunden sind, lässt sich nach aktuellem Stand der Forschung jedoch nicht mit Sicherheit beantworten.
Ein zentrales Kriterium für bewussten Schmerz ist die Existenz eines Gehirns oder zumindest zentraler Nervenknoten (Ganglien), in denen Sinnesreize verarbeitet und bewertet werden können. Diese Strukturen fehlen Blumentieren vollständig. Es gibt daher keine belastbaren Hinweise, dass sie Schmerz im menschlichen oder tierischen Sinne „fühlen“.
Was bedeutet das für die Aquarienhaltung?
Auch wenn Blumentiere wahrscheinlich kein bewusstes Schmerzempfinden besitzen, so reagieren sie dennoch empfindlich auf Stress, Verletzungen und ungeeignete Umweltbedingungen. Temperaturveränderungen, starke Strömung, unsachgemäße Berührung oder Transport können zu Gewebeschäden, Polypenrückzug oder sogar dem Absterben führen.
Für die Haltung im Aquarium ist entscheidend: Korallen und Anemonen sind empfindliche, lebende Tiere – keine dekorativen Objekte oder Pflanzen. Ihre physiologischen Bedürfnisse nach passender Strömung, stabilen Wasserwerten, Lichtintensität und möglichst stressfreier Umgebung müssen respektiert werden. Eine sachgerechte Haltung erfordert Wissen über ihre Lebensweise und die Fähigkeit, ihre Reaktionen richtig zu deuten.
Die Tatsache, dass sie keine Laute von sich geben oder sichtbare Mimik zeigen, macht sie für den Menschen schwerer zugänglich – nicht aber weniger schützenswert.
Autorin: Caroline Haller für www.einrichtungsbeispiele.de