10 Aquarianer - 11 Meinungen oder Gut, dass ich nur ich und nicht mehrere bin
Gerade Anfänger sind oft verwirrt, wenn sie auf der Suche nach Informationen zu ihrem neuen Hobby mit alten Hasen quatschen und hinterher oft feststellen, dass die Tipps und Ratschläge, die sie bekommen, oft genau das Gegenteil von dem sind, was sie im letzten Gespräch zum eigentlich gleichen Thema erfahren hatten und erst recht nichts mit dem zu tun haben, was sie sich erst kürzlich in der Fachliteratur angelesen hatten. Dabei war das Buch vielleicht überall in den höchsten Tönen gelobt worden?!
Hier bei einrichtungbeispiele.de tauchen solche Fragen oft in Zusammenhang mit den Bewertungen auf: “Warum kriegt User A von Bewerter X ganz andere Punkte als User B von Bewerter Y, obwohl beide einen (fast) gleichen Besatz pflegen” Hintergrund sind die unterschiedlichen Erfahrungen, die jeder Moderator in seiner Aquarianer-Laufbahn gemacht hat und jetzt wird es kompliziert: Man macht oft sogar die Erfahrung, dass man Erfahrungen macht, die den eigenen Erfahrungen widersprechen!
Dazu eine kleine Geschichte aus meinem Aquarianerleben mit Sciaenochromis fryeri. Anfang der 90er als Malawis noch wirkliche Raritäten waren - zumindest bei uns in Niederbayern - war es einfach so, dass ich fast jeden Malawibarsch erworben hatte, der im lokalen Zoogeschäft zu haben war. Internet gab es ja noch nicht, also war die Hauptinformationsquelle der gute alte Mergus. Eines Tages war ein Pärchen Sciaenochromis fryeri zu haben. Schnell im Zoogeschäft nachgeschlagen. In 450 Litern gut zu halten, weil dort damals ab 200 Liter empfohlen. Dass man Non-Mbunas nicht mit Mbunas halten sollte, war damals bei mir noch nicht angekommen. Also kam das Paar in ein Becken, das mit hauptsächlich Mbunas der verschiedensten Arten besetzt war. Dabei leider auch ein Labeotropheus, der meine Neuerwerbungen sofort attackiert und richtig vermöbelt hat. Das hat sich auch nicht gelegt. Meine fryeris haben sich deshalb unter dem Innenfilter mit einem Stein als Sichtblende häuslich eingerichtet, dort wurden sie nämlich in Ruhe gelassen. Ich habe daraus gelernt: 450 Liter reichen offenbar nicht aus für Sciaenochromis fryeri oder für den Labeotropheus oder für beide zusammen.
Die fryeris hatten jetzt also ein Habitat von ca. 5 Litern Volumen. Sicherlich viel zu wenig, aber über Wochen, in denen ich gehofft hatte, dass der Labeo seine Aggressionen in den Griff bekommen würde, kamen die fryeris zum fressen immer schön raus, das Männchen zeigte eine tolle Färbung und nach dem Fressen gings zurück unter den Filter. Kann man daraus schlie??en, dass dieser Art 5 Liter Volumen ausreicht? Es geht ihnen ja scheinbar prächtig. Erst recht als das Weibchen Eier im Maul hatte, müsste man das doch annehmen?
Also wurden die Sciaenochromis in ein Zwischenquartier von 54 Litern umgesetzt. Deutlich mehr Platz als im 450er. Die waren auch offenbar ziemlich happy. Der Nachwuchs endete zwar nach dem ersten ausspucken als Zwischenmahlzeit, aber sie hatten erst mal den Labeotropheus los und mehr Platz. Den beiden gingt es auch in den folgenden Wochen nicht schlecht, aber so richtig aktiv war das Männchen auch nicht mehr. Logisch: Kaum mit der Schwanzflosse gewedelt, schon hat man die andere Seitenscheibe im Gesicht. Würde mir auch nicht gefallen.
Weil ich es schon länger geplant hatte, kam dann schon bald das neue Becken 672 Liter und nur noch Non-Mbunas. Die Sciaenochromis fryeri bekamen Gesellschaft von Otopharynx lithobates, Copadichromis mloto und einigen anderen, die sich der Theorie nach alle vergesellschaften lassen sollten und auch zur Beckengrö??e passen sollten. Doch jetzt zeigte plötzlich das fryeri-Männchen, was es vom Labeo gelernt hatte und attackierte die Otopharynx und Copadichromis bei jeder Gelegenheit. Gut, dass ich die von einem Bekannten bekommen hatte und zurückgeben konnte. Fortan war Ruhe. Sogar mit deutlich kleineren Aulonocara-Arten hatte der fryeri keine Probleme und ich hatte ein (für Malawiverhältnisse) friedliches Aquarium.
Wäre ich jetzt mehrere Personen und hätte die Erfahrungen nicht alle zusammen gemacht, könnte ich jetzt komplett verschiedene Geschichten erzählen, die sich dann etwa so anhören könnten:
“Sciaenochromis fryeri geht in 450 Litern gar nicht. Der kann sich überhaupt nicht durchsetzen und braucht deshalb ein größeres Aquarium, wo er anderen Barschen aus den Weg gehen kann.”
“Sciaenochromis fryeri kann man auch locker in 54 Litern halten. Weil das mit denen geht, sollte das auch mit viel kleineren Malawibarschen funktionieren.”
“Sciaenochromis fryeri kannst du in 672 Litern nicht halten, da verhaut der dir die anderen Fische.”
Ist klar, dass solche Stories einen Anfänger nicht begeistern. Dazu kommt auch noch, dass nicht nur die Gesellschaft eine große Rolle für das Verhalten spielen, sondern ganz wesentlich die Strukturierung und Einrichtung des Beckens und sogar Strömungsverhältnisse oder Beleuchtungsintensität und Dauer haben einen Einfluss auf das Funktionieren eines Besatzes und jetzt kommt's: Auch Fische haben Charakter! Jeder Tipp zur Besatzzusammenstellung ist nur so gut, wie sich die Fische an die Theorie halten.
Das Wichtigste, was also jeder Neuling lernen muss: Jeden Tipp, jeden Ratschlag, jeden Kommentar und jede Bewertung hier auf einrichtungsbeispiele.de muss in den eigenen Erfahrungsschaft eingeflochten werden. Jede Theorie muss durch Beobachtung erst mal bestätigt oder verworfen werden. Niemand meint es böse, aber manch gut gemeinter Ratschlag funktioniert im eigenen Aquarium einfach nicht. Aber auch nicht funktionierende Tipps bereichern den Erfahrungsschatz und wenn alles so einfach wäre, würde dieses schöne Hobby seinen Reiz nicht über so lange Phasen auf uns alle ausüben. Deshalb mein Tipp: Schaut mehr und öfter in eure Aquarien und nicht so oft auf den Monitor und wenn doch, dann natürlich auf einrichtungsbeispiele.de.
Eine wahrhaft treffende Story - DANKE TOM!
Wie beschrieben, nicht nur die Vergesellschaftung, sodern eben auch die Strukturierung der Deko, das Licht, die Strömungsverhältnisse usw. spielen in Kombination eine sehr wirchtige Rolle!
Was ich hier aber hervorheben möchte ist klar, dass das Wasservolumen im Einklang mit den Filtermöglichkeiten ebenfalls eine entscheidende Rolle spielt!
Klar kann ein Fryeri zum Beispiel in 54 Litern gehalten werden, aber der immense Stoffwechsel dieses Fischfressers würde eine so starke Filterung voraussetzen, welche in einem solchen Becken nicht zu realsieren ist. Hier müsste dann wohl ein zweitäglicher grosser Wasserwechsel in Betracht gezogen werden, um das schnell und stark verschmutzte Wasser zu entfernen. Dies wiederum bedeutet für das Tier Stress, der einerseits durch das Hantieren am Becken und andererseits durch die beim WW stark schwankenden Wasserwerte verursacht wird.
Zum Beispiel wenn ich in meinem persönlichen Becken einen Standard-pH von 8, 1 habe und einen grossen WW mache, dann wird dieses Top-Wasser durch pH-neutrales Leitungswasser ersetzt, was innert kurzer Zeit den pH und im Zusammenhang die KH im Becken massiv drückt. Lasse ich mir beim Wiederbefüllen enorm Zeit und befülle des Beckens mittels eines kleinen Rinnsals, welches dann auch noch das aufhärtende und pH-stabiliserende Filtermaterial durchrinnt, bevor es ins Becken gelangt, kann ich die Wasserwerte-Schwankung wieder massiv reduzieren.
Aha....zu Wasservolumen und Filtermöglichkeiten kommt jetzt also auch nocht ZEIT als weiterer wichtiger Faktor! Die Zeit nämlich, welche ein Tier in einem Behälter verbringt, und eben auch die Zeit, welche der Aquarianer aufbringt respektive aufbringen kann, um dem Tier möglichst optimale Umgebungsvariablen zu schaffen
Es sind nicht einzelne Variablen, welche eine Bewertung ausmachen, sodern vielmehr die Kombination aller Parameter, wenn sie auf den ersten Blick auch noch so unbedeutend erscheinen mögen.
lG Silvan
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