Interview mit Frank Schäfer - Diplom-Biologe und Chefredakteur bei Aqualog
Hallo Frank! Danke, dass Du Dir für dieses Interview Zeit genommen hast. Du bist Diplom-Biologe und hast bereits sehr viele Fachartikel veröffentlicht und Reisen in viele Länder unternommen. Welche Reisen sind Dir da besonders in Erinnerung geblieben und warum?
Jede Reise war anders, jede besonders - meine allererste Sammelreise nach Sumatra im Alter von 19 Jahren ist mir natürlich als großes Abenteuer in Erinnerung geblieben, auch die Indien-Reisen, weil dort so viel zu erforschen ist, Sambia, weil die Art zu Reisen dort so anders war und Thailand, weil es dort einfach schön ist; aber auch in Europa gibt es viele herrliche Ecken und als Tier- und Pflanzenmensch finde ich eigentlich überall Anregungen, sogar direkt vor der Haustür.
Du bist selbst begeisterter Aquarianer und Terrarianer und sehr interessiert an Vögeln und Kleinsäugern. Wann und wie war Dein Anfang damals und welche Tier-Arten haben es Dir besonders angetan? Was hältst Du selbst zuhause?
Meine ersten Tiere im Alter von 6 Jahren waren Kaninchen und Meerschweinchen, etwas später habe ich zwei 5-Liter-Aquarien erbettelt und darin zunächst getümpeltes Getier (Rückenschwimmer, Molche, Kaulquappen, Libellenlarven), dann Schleierschwänze, Katzenwelse und Goldorfen gehalten, weil die billig waren und keine Heizung brauchten. Diese Fische kamen in den Sommerferien zu Nachbarn in den Gartenteich, wo sie in den drei Wochen derartig wuchsen, dass sie anschließend nicht mehr in meine Mini-Becken passten. Dann pflegte ich Makropoden und hatte im Alter von 8 Jahren damit meine ersten Zuchterfolge. Makropoden pflege ich heute noch, die habe ich nie aufgegeben. Ich habe selbst erst vor zwei oder drei Jahren herausgefunden, warum ich eine solch seltsame Mischung von Arten über Dekaden immer wieder pflege: Lebendgebärende, Labyrinther, Sonnenbarsche, Molche, Salamander, Axolotl, Goldfische und Schleierschwänze, diverse Barben, aber z.B. bin ich nie so richtig mit Salmlern und nur mit ganz wenigen Cichliden warmgeworden. Der Grund liegt in der ersten Auflage von Wolf Durians Buch "Der See im Glase". Dieses Buch gab es in Darmstadt in der Leihbücherei und ich habe es so oft ausgeliehen, bis ich es fast auswendig konnte. Die darin beschriebenen Fische und sonstigen Tiere sind genau das, was mich bis zum heutigen Tag immer wieder fasziniert. Ich habe das Buch nach langer Suche jetzt wieder antiquarisch kaufen können und liebe es heiß und innig.
Ich betreibe dauerhaft rund 30 Aquarien und Terrarien unterschiedlichster Größe und häufig wechselnden Inhalts; da ich über viele Tiere schreibe und der Meinung bin, dass man über nichts schreiben sollte, was man nicht selbst gemacht hat, müssen die Arten halt oft wechseln. Dazu muss ich natürlich sagen, dass ich tagtäglich auch die rund 3.000 Aquarien von Aquarium Glaser begutachte, weil das zu meinem Job gehört. Langzeithaltungen habe ich hauptsächlich bei Schildkröten (zur Zeit 8 Arten, die dienstältesten sind über 30 Jahre bei mir), bei Vögeln haben es mir Kanarien und Cardueliden (Waldvögel) ganz besonders angetan, aber auch Prachtfinken mag ich gern. Ich habe aktuell Forschungsschwerpunkte bei Argusfischen und Parthenogenese, auch Landeinsiedlerkrebse und ein paar andere Wirbellose wohnen schon lange bei mir. Bei Kleinsäugern sind es zur Zeit die Hamster, die mich besonders interessieren, besonders der Goldhamster, weil dessen Domestikationsgeschichte so unglaublich ist.
Auf der Aqualog-Homepage bist Du ja für die wöchentlichen Blogberichte zuständig (i.d.R. 3 pro Woche), vor allem Deine ausführliche freitägliche Glosse/Kolumne namens "Franky Friday" behandelt verschiedenste Themen rund ums Hobby. Worüber schreibst Du gerne und wie findest Du die Themen über die Du schreibst?
Anregungen finde ich buchstäblich überall und da ich ein gründliches recherchieren in wissenschaftlichen Bibliotheken gewohnt bin, merke ich auch schnell, wo Wissens-Missstände bestehen. Letztlich schreibe ich im Blog und auch in anderen Artikeln einfach auf, was ich herausgefunden habe, in der Hoffnung, dass es anderen eine Hilfe ist und auch als Gedächtnisstütze für mich selbst. Ein kleines Beispiel. Wir waren letztes Wochenende in Holland an der Nordsee. Da sammele ich in aller Harmlosigkeit Muschelschalen auf und frage mich, was das wohl für eine Art ist. Ich schlage das nach und finde, dass es in Wirklichkeit drei Arten sind, die ich da aufgesammelt habe. Da frage ich mich, wie können diese drei einander so ähnlichen Arten wohl im gleichen Lebensraum nebeneinander existieren, ohne in Konkurrenz zu treten? Und warum ist eigentlich jede Muschel, unabhängig von der Art, individuell unterschiedlich gefärbt? Wozu ist das gut? Warum sind die überhaupt bunt, obwohl sie doch ihr ganzes Leben eingegraben im Sand verbringen, wo sie niemand sieht? Das sind Fragen, auf die ich dann Antworten suche und schnell feststelle, dass ich nicht der erste bin, der sie stellt. So entstehen Artikel.
Seit kurzer Zeit bin auch ich ein Abonnent des "AqualogNEWS Bookazines". Man erhält zu jeder Ausgabe ein tolles Poster der Highlights einer bestimmten Fischgruppe (zuletzt Channa und Nannostomus) und im Herbst einen Fischkalender mit den schönsten Motiven des Jahres. Wie seid Ihr auf die Idee "Aqualog" gekommen? Was und Wen sprecht Ihr dabei vor allem an?
Die Aqualog Ur-Idee kam von Ulrich Glaser sen., der Aquarium Glaser gründete. Aquarium Glaser ist ein Großhandel für den Großhandel und importiert auch Arten, über die es kaum Literatur gibt. Die erste und wichtigste Frage war und ist immer, welche Art das wohl ist. Da es keine Bestimmungsbücher gab, in denen alle verwechselbaren Arten auch wirklich aufgenommen sind, plante Herr Glaser genau das: Bücher, in denen wirklich alle Arten, Unterarten, Varianten etc. abgebildet sind, die man zu diesem Zeitpunkt kennt. Es ist dabei gar nicht so wichtig, ob diese Arten auch im Handel sind oder waren. Solche Bücher sollen neugierig auf die große Artenvielfalt machen, die es (noch) gibt. Zur Zeit sind rund 30.000 Fischarten wissenschaftlich erfasst, das dürfte noch nicht einmal die Hälfte der tatsächlich existierenden Arten sein. Um eine neue Art aber überhaupt als solche zu erkennen, muss man zunächst alle bereits bekannten kennen. Und das versucht Aqualog zu leisten. Jeder private Hobbyist kann tatsächlich Spezialist für bestimmte Fischgruppen werden und neue Arten entdecken. Killifische, Labyrinther, Lebendgebärende, Cichliden, Salmler und Barben - überall auf der Welt sind Aquarianer an der Entdeckung und Beschreibung neuer Arten beteiligt. Die Menschen, die sich daran beteiligen wollen, sprechen wir besonders an.
Das "AqualogNEWS Bookazine" knüpft an diese Grundidee des Verlages an und bildet in jeder Ausgabe eine bestimmte Fischgruppe (inkl. Poster) in Gänze ab. Natürlich werden außer dem obligatorischen Lexikon-Teil auch stets viele andere Themen rund ums Hobby behandelt; so werden z.B. Blogberichte vertieft oder auch aktuelle, das Hobby betreffende, "politische" Themen behandelt.
Was findest Du an Büchern oder Zeitschriften wichtig und welche Vorteile haben diese, gegenüber dem Internet?
Der wesentlichste Vorteil von Print ist die Beständigkeit. Es heißt zwar immer, das Internet vergäße nichts; das mag sein, aber nur weil es nicht vergessen ist, kann man es noch lange nicht finden, wenn man es braucht. Ein Buch oder Zeitschriftenartikel ist zitierbar, es ist immer und überall auf der Welt auffindbar - wenn auch möglicherweise übers Internet ;-) Aber viel wichtiger ist: das Wissen, das Print vermittelt, ist gefiltert und sortiert und zwar von Leuten, die etwas davon verstehen. Im Internet liefert eine Google-Suche 99% Unfug, es fehlt die Redaktion, die vorsortiert. Selbstverständlich ist das Internet nicht mehr wegzudenken. Es spart auch unfassbar viel Zeit. Früher lief eine Recherche so ab, dass ich eine Arbeit in der Bibliothek bestellte, wozu ich physisch in die Bibliothek fahren und im Zettelkatalog die Leihnummer raussuchen und auf einen Bestellschein schreiben musste; dann gab ich den Bestellschein ab, fuhr wieder nach Hause, am nächsten Tag wieder in die Bibliothek, um die Arbeit auszuleihen oder zu fotokopieren. Im Literaturverzeichnis der Arbeit fand ich dann weitere benötigte Literatur: das Spiel begann von vorn. Heute kann ich fast alle wichtige Literatur im Internet finden, in virtuellen Bibliotheken. Das spart unfassbar viel Zeit. Aber die Literatur brauche ich trotzdem. Foren, Wikipedia, diverse Homepages, das alles sind interessante Informationsquellen, aber erst, wenn ich die Basishausaufgaben gemacht habe und den Wahrheitsgehalt dieser Informationsquellen einschätzen kann. Print ist darum absolut unverzichtbar. Ich finde, man kann Print gut mit einem schönen Essen mit Freunden vergleichen; es enthält den Einkauf, die Vorbereitung, die Zubereitung und den Genuss der Speisen und anschließend ist man um eine Erfahrung reicher. Das Internet ist im Vergleich dazu eine Kochsendung: nett anzusehen und man erhält viele Anregungen aber satt wird man nicht davon und ob man zuhause hinbekommt, was da jemand "schon mal vorbereitet" hat, ist ebenfalls fraglich.
Den Vergleich mit der Koch-Sendung und dem Essen mit Freunden finde ich sehr passend. Ich habe selbst viele Bücher zuhause, in denen ich immer wieder nachsehe und bin ein großer Fan von Print-Ausgaben. Wir sind leider am Ende des Interviews angelangt. Doch eine letzte Frage an Dich - möchtest Du abschließend noch etwas erwähnen, das Dir wichtig ist? Sei es in Bezug auf unser Hobby Aquaristik/Terraristik oder den Verlag selbst?
Was mich gegenwärtig fast in den Wahnsinn treibt, ist die Borniertheit der Gesetzgeber und der vermeintlich politisch korrekten selbst ernannten "Tierschützer", die die private Tierhaltung immer weiter reglementieren und einschränken, meist mit aus wissenschaftlicher Sicht völlig falschen oder einfach frei erfundenen Argumenten. Was wir über Artenvielfalt und Ökologie bei Kleinfischen des Süßwassers wissen, verdanken wir Aquarianern; ich kenne keinen einzigen fähigen Herpetologen, der nicht auch Terrarianer wäre. Wer als Kind nicht Schmetterlinge, Käfer oder Schnecken sammelte, wer nicht Molche, Eidechsen, Vögel oder Mäuse fing, um sie zuhause zu pflegen, wird niemals ein guter Biologe werden. Analoges gilt für Pflanzen. Wir brauchen nicht mehr gesetzliche Regelungen, wir brauchen weniger davon. Es ist schwer genug, heutzutage junge Menschen für die Beschäftigung mit der Natur zu begeistern.Sie gelten als uncoole Nerds, während PC-Nerds als lässige Zeitgenossen eingeschätzt werden. Wenn auch noch alles, was Spaß macht und nett aussieht, unter so genannten Artenschutz gestellt wird, ist das kontraproduktiv. Durch Fang und Lebendhaltung ist noch keine einzige Kleintierart ausgestorben, nicht einmal selten geworden, das ist eine mit wissenschaftlichen Methoden beweisbare Tatsache - und es ist auch kaum vorstellbar, dass so etwas bei einer Kleintierart je passieren könnte. Aber es werden uns ganze Generationen von Menschen fehlen, die durch Sachkunde und Sachverstand verhindern können, dass noch mehr Tier- und Pflanzenarten auf die Liste der ausgestorbenen oder vom Aussterben bedrohten Arten kommen, wenn die Tier- und Pflanzenhaltung - gerade bei jungen Menschen - weiterhin so reglementiert und eingeschränkt wird, wie das derzeit der Fall ist. Die Pontius-Pilatus-Mentalität - also die eigenen Hände in Unschuld zu waschen und nichts zu tun - kann das Weltgeschehen nicht positiv beeinflussen. Die Aufgabe der nahen Zukunft muss es sein, das Ruder herumzureißen und den Untergang ganzer Ökosysteme zu verhindern, bevor sie für alle Zeit von diesem Planeten verschwinden. Dazu brauchen wir aber keine Gutmenschen, die Ignoranz mit Empathie verwechseln, sondern erfahrene Tier- und Pflanzenpfleger, die auch ganz praktisch züchten können. Solche Menschen wachsen aber nicht auf Bäumen oder entstehen in Universitäten, sie erlernen ihr Handwerk von klein auf. Wer das nicht versteht und einsieht, macht sich mitschuldig an dem großen Artensterben, das gerade auf der Erde stattfindet. Wir alle - Aquarianer, Terrarianer, Kleintierhalter überhaupt und auch ihre Organe, die in Verlagen publizieren - müssen dagegen vorgehen, sind gefordert, diesem Irrsinn Einhalt zu gebieten und die Tier- und Pflanzenpflege und damit das Naturverständnis bei Kindern und Jugendlichen zu fördern und zu unterstützen, wo immer das möglich ist.
Der Meinung kann man sich nur anschließen. Herzlichen Dank für das Interview! Ja, es sollte jeder über die Zukunft der Aquaristik/Terraristik und der Tierhaltung allgemein nachdenken. Hoffen wir, dass die Gesetzesgeber in naher Zukunft bessere Berater finden werden.
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Helga Kury für www.einrichtungsbeispiele.de