Stratifikation: Die Kälte, die Samen zum Leben erweckt
In der Natur ist es oft klug, Geduld zu haben. Viele Pflanzen werfen im Herbst ihre Samen ab, doch diese keimen nicht sofort. Stattdessen bleiben sie scheinbar untätig und warten – manchmal Wochen oder sogar Monate – auf den richtigen Moment. Dieser Moment wird oft durch den Winter eingeläutet. Doch warum ist das so? Hier kommt die Stratifikation ins Spiel, ein natürlicher Prozess, der Samen hilft, ihre Keimruhe zu überwinden und zum Leben zu erwachen.
Was ist Stratifikation?
Stratifikation bezeichnet die Kältebehandlung von Samen, die notwendig ist, damit sie nach einer Ruhephase keimen können. Viele Samen haben eine sogenannte Dormanz – eine natürliche Schutzvorrichtung, die verhindert, dass sie zu früh austreiben. Diese Dormanz wird durch bestimmte Umwelteinflüsse, vor allem durch Kälte, gebrochen. In der freien Natur bedeutet dies, dass die Samen den Winter überdauern und erst dann keimen, wenn die Temperaturen im Frühling ansteigen und die Bedingungen für junge Pflanzen günstiger sind.
Diese Kälteperiode wirkt wie eine Art Zeitmesser für die Samen. Sie stellt sicher, dass sie nicht zu früh keimen, wenn Frost oder Trockenheit ihre Entwicklung gefährden könnten. Auf diese Weise passt sich die Pflanze perfekt an den jahreszeitlichen Rhythmus an und erhöht ihre Überlebenschancen.
Warum brauchen Samen Kälte?
Viele Pflanzenarten, insbesondere solche aus gemäßigten Klimazonen, sind darauf angewiesen, dass ihre Samen eine Frostperiode durchlaufen, bevor sie keimen. Ohne diese Phase bleiben die Samen inaktiv, selbst wenn sie mit Wasser und Nährstoffen versorgt werden. Die Kälte bewirkt, dass sich die harten Samenschalen auflockern und wichtige chemische Prozesse in Gang gesetzt werden, die für die Keimung notwendig sind.
Dieser Mechanismus dient als natürlicher Schutz. Würden die Samen im Herbst, kurz nach ihrer Reifung, zu keimen beginnen, hätten die jungen Pflänzchen keine Chance, den kommenden Winter zu überstehen. Erst nach einer kalten Phase erkennen sie, dass der Frühling bevorsteht und die Keimung sicher ist.
Welche Pflanzen benötigen Stratifikation?
Die Stratifikation ist bei vielen heimischen Pflanzen von großer Bedeutung. Dazu gehören:
- Laubbäume: Ahorn, Buche, Eiche und Kastanie
- Wildblumen: Schlüsselblume, Enzian und Kornblume
- Sträucher: Holunder, Hagebutte und Sanddorn
Besonders Wildpflanzen und Gehölze, die sich an kalte Winter angepasst haben, setzen auf diese Strategie. Ihre Samen werden oft vom Wind verweht oder fallen zu Boden, wo sie den Frost im Winter abwarten, bevor sie im Frühjahr keimen.
Wie funktioniert Stratifikation im Garten?
Nicht alle Gärtnerinnen und Gärtner möchten Monate auf die Keimung warten. Zum Glück lässt sich der Prozess der Stratifikation auch künstlich nachahmen. Eine bewährte Methode ist die Lagerung von Samen in feuchtem Sand oder Erde bei Temperaturen zwischen 2 und 5 °C, meist im Kühlschrank. Dieser Zustand wird für mehrere Wochen bis Monate beibehalten.
Nach dieser Zeit werden die Samen in die Erde gesetzt und keimen dann, sobald die Temperaturen steigen. Diese künstliche Kältebehandlung ist besonders hilfreich bei der Anzucht von Wildblumen, Bäumen oder seltenen Pflanzenarten, die sonst schwer zu keimen sind.
Was ist mit bestehenden Pflanzen?
Die Stratifikation betrifft ausschließlich Samen. Doch es gibt einen ähnlichen Prozess für bereits bestehende Pflanzen und Knospen – die Vernalisation. Während die Stratifikation sicherstellt, dass Samen nach dem Winter keimen, sorgt die Vernalisation dafür, dass Pflanzen nach einer Kälteperiode neu austreiben oder blühen. Tulpenzwiebeln oder Obstbäume sind typische Beispiele für Pflanzen, die Vernalisation benötigen.
Autorin: Caroline Haller für www.einrichtungsbeispiele.de